Es war einmal ein Opabrief

von Kerstin und Helga



Übersetzung des Briefes vom 4.9.41 aus Nikoleijew:

... Auf dem Rückweg bin ich mit noch einigen kranken Kameraden etwas durch die Stadt gelaufen. Wie schon gesagt, ein jammervolles Elend überall, alles kaputt geschlagen, ausgebrannt, die Läden und Geschäfte, die Häuser demoliert und ausgeräuchert, es stehen nur noch die Einfassungsmauern, im Inneren nichts wie verkohltes Gerümpel und Hausrat, ein Gestank, eben ein wüstes Trümmerfeld wohin man sieht. Wir gingen über den sogenannten Markt, dort stehen noch so vereinzelte Verkaufsbuden, davor Schlangen von hohläugigen, ausgemergelten armen Menschen beiderlei Geschlechts in armseliger Kleidung, alte Greise, Frauen mit kleinen Kindern, trinkenden Säuglingen an der Brust u.s.f. und warten stundenlang auf ein kärgliches Nahrungsmittel, das dort verkauft wird. Wie ich sah, waren es Tomaten, Kürbisse, Melonen und weithin stinkendes Sauerkraut oder wenigstens so eine Art, das man in Stoffsäckchen schüttete von der Waage weg, die Brühe tropft dann unten wieder heraus und mit diesen Erzeugnissen ziehen dann die Menschen, glücklich und zufrieden etwas ergattert zu haben, wieder ab. Vom männlichen Geschlecht wird man um Zigaretten angebettelt usw. eben ein Jammerbild wohin man sieht. Eine tote Hafenstadt dieses Nikoleijew am Bugeinfluss ins schwarze Meer. So des war wieder so ein kleines Stimmungsbild von hier. Wohin wird es weitergehen? Das ist die Frage die immer wieder auftaucht, es wird gesprochen von der Halbinsel Krim im schwarzen Meer, von Iran und Irak etc. aber das sind alles so Meinungen, Wissen tut niemand etwas definitives und diejenigen die evtl. doch etwas wissen, die sagen nichts. Also abwarten, komme was da will, man kann ja doch nichts ändern. Je weiter man natürlich wegkommt umso schwieriger wird es folgegemäss mit einem Urlaub und einem Heimkommen zu Euch meine Lieben und einem bestimmt redlich verdienten Wiedersehen. Manchmal ist es schon recht zum verzweifeln und werde ich öfter gefragt an was ich denke, wenn man abends dortsitzt und sinniert, ja es ist schwer, bitter schwer......
 
Übersetzung des angefangenen letzten Briefes vom 08.05.1942:

Jetzt am neuen Platz ...Saporoskje

Meine liebe arme Mama, liebe Kinder!
Meine Liebste, also heute (Papas Geburtstag) die erste Post von mir vom neuen Platz. Also ganz kurz, am Sonntag (3.5.42) wurden auch wir verladen und endlich am Montag 4.5.42 ging der Zug dann endgültig ab, nachdem wir die Nacht von 3.auf 4. bereits als erste Nacht im Waggon zugebracht hatten, es war noch ziemlich kalt und in dieser Nacht das erste Gewitter trotz der kalten Witterung. Um 10 Uhr 20 fuhr der Zug dann ab.


Meine Mama liest gerade dieses Buch:



Dort war mein Großvater als er den Brief schrieb. Die Autorin Elisabeth Büchle beschreibt in diesem Roman die Hintergrundinformationen sehr genau. Die Geschichte allerdings, die ist erfunden.

Eure Kerstin und die Helga
♥♥♥

P.S:
Für alle die den dazugehörigen Post vom April 2014 lesen wollen bitte hier entlang: *klick*

1 Kommentar:

  1. Solche Zeitzeugen berühren sehr. Auch der Vater meiner Mutter, den ich nie kennen lernte, schrieb solch einen Brief...
    Meine Oma wurde mit ihren drei Mädels, eins davon mein Muddele, aus dem Sudetenland ausgewiesen mit vielen anderen Menschen. Monika Kunze schrieb darüber ein Buch: Zu Hause ist anderswo...
    Liebe Grüße, Edith

    AntwortenLöschen

Kommentarfunktion auf dieser Webseite:
Hinweis: Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass der von dir geschriebene Kommentar und die personenbezogenen Daten, die damit verbunden sind (z.B. Username, E-Mailadresse, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.

Wir freuen uns sehr über jeden einzelnen Kommentar und möchten uns dafür ganz lieb bei Euch bedanken !